2014/05/12

'Rhythmus und Rituale'
Bericht über die STADTKLANGNETZ-Konferenz 2014


STADTKLANGNETZKONFERENZ 2014: Florian Meyer und Hiroshi Matoba 
Warum begeistert mich die STADTKLANGNETZ-Konferenz immer wieder?

'Rhythmus und Rituale' ist das diesjährige Thema. Die STADTKLANGNETZ-Konferenz wird von Kreativen für Kreative gestaltet. Sie findet jährlich statt, es gibt ausgezeichnete Workshops, Vorträge und Diskussionen. Den notwendigen Überblick und die guten Kontakte um ein   hochwertiges Programm mit einem dicken roten Faden zu gestalten haben Thomas Gläßer und Michael P. Aust, die mit dem Leitmotiv 'Die Verräumlichung von musikalischen Impulsen durch Bewegung' die kreativen Kräfte der neuen Musik und der Wissenschaft zur Konferenz locken konnten. Die fokussierten Workshops, Vorträge und Diskussionen aktivierten das Denken und das Handeln der Teilnehmer.

Mit seinem einführenden Vortrag 'Stimulation und Simulation – Überlegungen zu einer Theorie von Rhythmus und Metrum als kulturelle Praxis' aktivierte Dr. Julian Caskel direkt zu Beginn die  intellektuelle Spannkraft. Im Workshop ’The Sensibility of Rhythm’ ließ die Perkussionistin & Komponistin Robyn Schulkowsky auf eine wunderbare Weise die enge Verbindung von Rhythmus und Bewegung körperlich unmittelbar erfahren.

Das Spektrum erweiterte Florian Meyer (Künstler, Musiker und DJ), der mit dem Medienkünstler Hiroshi Matoba anschließend auf der Konferenzbühne für Aufsehen sorgte. Florian Meyer präsentierte und erläuterte DJ-Techniken und eröffnete das musikpädagogische Potential von Musikelektronik. Technikbegeisterte Kongressbesucher stellten fasziniert ihre Fragen. Das alles war bereits spannend, doch brachten die Medienkünstler noch weitere Resultate ihrer experimentellen Arbeit mit. Florian Meyer und Hiroshi Matoba haben Algorithmen programmiert, mit denen Rhythmen auf der Mikroebene über eine graphische Benutzeroberfläche einfach, aber differenziert manipuliert werden können. Auf der Konferenz wurden spielerische Anwendungsmöglichkeiten der Kompositionstools vorgestellt: die Metamorphose der step-sequenzer.

Mit ihrem Warm-Up für Stimm- und Körperarbeit eröffnete Dagmar Boecker den zweiten Tag der STADTKLANGNETZ-Konferenz. Im Workshop 'Morning Tune - Atem Schöpfen, Einstimmen, Tonisieren' aktivierte Dagmar Boecker die Besucher auf ganz hervorragender Weise zur Bewegung und zum Tönen. Ihre wunderbaren tänzerischen Bewegungen und die systematisch aufbauende Anleitung der kompetenten Atem- Sprech- und Stimmlehrerin von der Hochschule für Musik und Tanz (HfMT Köln) machten die Teilnahme am Workshop zu einem ausgesprochenen Vergnügen.

Der Vortrag 'Rhythmus und Resonanz' von Dr. Hans Jürgen Scheurle überzeugte nicht nur aufgrund des hervorragenden Stils. Mit reflektierter phänomenologischer Argumentation eröffnete der Arzt und Physiologe tiefe Einblicke in die hohe Kunst des verbesserten Gebrauchs unserer Sinnesorgane. Zu empfehlen ist sein nur über den Autor zu beziehende Übungsbuch: Hans Jürgen Scheuerle (2010) Übungsbuch Sinne - zur Wahrnehmung der Gegenwart. Der brillante phänomenologische Denker hat sich sehr intensiv mit folgenden Fragen auseinandergesetzt und dabei interessante Thesen entwickelt:  
  • Wie kann man Menschen durch die Sinne anregen? 
  • Hören und Musik sind soziale Wahrnehmungen.
  • Mit Zuhören und Sprechen nehmen wir teil. 
  • Alles Hörbare ist immateriell, nämlich geistiger Natur. 
  • Jede Wahrnehmung ist etwas Neues, was entsteht, die Anregung, worauf man sich einlassen möchte, etwas, was nicht schon da ist, sondern was entsteht. 
  • Wiederholungen in der Musik, das scheinbar gleiche ist nicht dasselbe. Sie erfolgen nacheinander in der Zeit. Die schöpferische Gestaltung beim Hören ...
  • Jeder Klang weist beim Vergehen auf den nächsten hin, der eine neue Spannung bringt oder vermissen lässt.    
  • der Begriff 'passiven Wahrnehmung' unterstellt eine fertige Welt, die nur aus der Gedächtnisleistung rekonstruiert werden müsste. Doch das, was im Prozess der  Wahrnehmung entsteht, ist ja noch unfertig, noch nicht greifbar, es entfaltet sich erst ...    
  1. Menschen, die wirklich leben, die in der Gegenwart leben (die gewissermaßen eine phänomenologische Einstellung haben) 
  2. Der Menschen, der im Kopf lebt, der in der Vergangenheit lebt (der Mensch mit der empirischen oder vergangenheitsbezogenen Einstellung)   
  • Ein Musiker, sich beim Spielen nicht selbst zuhört, kann kein Musiker sein. Er braucht die phänomenologische Einstellung, um in der Welt zu leben. 

Annesley Black (Komponistin), Olaf Wegener (Projektleiter Förderprojekte Zeitgenössische Musik des Deutschen Musikrats) und Silke Egeler- Wittmann (musikpädagogische Begleitung von Abenteuer Neue Musik) präsentierten die  Projekte 'Smooche de la Rooche II' und 'Flowers of Carnage - Musik und Sport' und ermöglichten anhand von Bewegungsaufgaben aus dem letzten Projekt einige spannende Erfahrungen.        

Der Perkussionist Ramesh Shotham führte im Workshop 'Global Tala' in die pädagogisch-methodische Arbeit mit der südindische Rhythmussprache Konakol ein und eröffnete spannende Zugänge zum  erweiterten musikalischen Ausdruck.  

Mit dem Vortrag 'Inseln in der Zeit - Rhythmen und Rituale in Bildungsprozessen' leitete Prof. Dr. Jörg Zirfas eine angeregte und spannende Abschlussdiskussion ein, die die Konferenz dann zur Freude aller noch etwas verlängerte.

Bericht: Gerd Fierus         

Keine Kommentare:

 
blogoscoop